Das Schreiben einer dialektischen Erörterung stellt eine relevante Schreibaufgabe dar und ist obligatorischer Bestandteil der Prüfungen zum mittleren Schulabschluss (MSA-Prüfungen) in Klasse 10 im Fach Deutsch in Berlin und Brandenburg. Allerdings liegen für deutsche nicht-gymnasiale Schulen weder wissenschaftliche Untersuchungen zur Erhebung der Schreibkompetenz im Bereich der dialektischen Erörterung noch erprobte Unterrichtskonzepte zur Vermittlung dieser Textsorte vor.
Eine Möglichkeit, die Schreibkompetenz aller Schüler:innen mithilfe des Scaffolding-Konzeptes zu fördern, stellt der Self-Regulated-Strategy-Development-Ansatz (SRSD-Ansatz) dar. Für die erstmalige Adaption des SRSD-Ansatzes für die Textsorte der dialektischen Erörterung an nicht-gymnasialen Schulen geht die vorliegende Arbeit daher folgender globaler Fragestellung nach: Wie wirken sich die Unterrichtsreihe zum dialektischen Erörtern nach dem Self-Regulated-Strategy-Development-Ansatz und die dazugehörigen Scaffolds im Rahmen eines Forschungs- und Unterrichtsprojekts auf die Schreibkompetenz von Lerngruppen der 9. Klassenstufe an zwei Brandenburger Gesamtschulen, gemessen anhand der Textlänge und der holistischen Textqualität dialektischer Erörterungen, aus?
Die genannte Unterrichtsreihe zum dialektischen Erörtern wurde innerhalb von sechs Unterrichtsstunden (jeweils 90 Minuten) im Sinne des Design-Based-Research-Ansatzes im Rahmen des Projekts Fair Debattieren und Erörtern durchgeführt. Aus dem Korpus dieses Projekts wurden die Erörterungstexte von insgesamt sieben Klassen der 9. Jahrgangsstufe an zwei Gesamtschulen in Brandenburg (N = 381) extrahiert, wozu Schüler:innentexte von vier randomisierten Interventionsgruppen mit zwei unterschiedlichen Treatmentreihenfolgen DE (erst Debattieren, dann Erörtern, n = 115) und ED (erst Erörtern, dann Debattieren, n = 118) sowie von drei Kontrollgruppen (n = 148) gehören. Die Texte wurden anhand von vier originalen Schreibaufgaben aus MSA-Prüfungen der Jahre 2013 und 2017 zu vier Messzeitpunkten im Längsschnitt erhoben und im Mixed-Methods-Design folgendermaßen analysiert:
a) Auf quantitativer Ebene werden die holistische Textqualität (Double-Blind-Rating auf einer 5-Punkt-Skala) und die Textlänge als Indikatoren für Schreibkompetenz von dialektischen Erörterungen zu allen vier Messzeitpunkten betrachtet und Mittelwertsunterschiede zu einem Messzeitpunkt durch einfaktorielle Varianzanalysen berechnet.
b) Auf qualitativer Ebene erfolgt die Beschreibung der Unterrichtsreihe zum dialektischen Erörtern für die vier Interventionsgruppen sowie deren weitere Analyse anhand von digitalen Feldnotizen der Trainer:innen. Diese digitalen Feldnotizen werden systematisch durch das Verfahren der qualitativen zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring (2022) ausgewertet.
Die qualitativen Ergebnisse zeigen, dass in allen vier Interventionsgruppen die Schüler:innen alle sechs Phasen der Unterrichtsreihe nach dem SRSD-Ansatz durchlaufen. Die Schaffung einer motivierenden Schreibumgebung durch die Umsetzung von – für den SRSD-Ansatz charakteristischen – Designprinzipien der Unterrichtsreihe können dabei als potenziell ergiebige Faktoren für die Förderung der Schreibkompetenz aller Schüler:innen identifiziert werden.
Die quantitativen Ergebnisse zeigen, dass diejenigen Schüler:innen die höchste Textqualität und Textlänge aufweisen, welche zuvor die Unterrichtsreihe zum dialektischen Erörtern absolvierten (t2 und t3).
Des Weiteren werden in der vorliegenden Dissertationsarbeit Aspekte hinsichtlich eines Transfers der untersuchten Unterrichtsreihe in die Schreibforschung, die Schulpraxis sowie die Lehrkräfteaus- und -weiterbildung erläutert.