Rebekka Denz, Dorothea M. Salzer, Stephanie von Schmädel, Amor Ayala
Rebekka Denz; Dorothea M. Salzer; Stephanie von Schmädel; Amor Ayala (eds.)

Galut Sepharad in Aschkenas

Sepharden im deutschsprachigen Kulturraum



ISBN: 978-3-86956-253-7
287 pages
Release year 2013

Series: PaRDeS : Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien e.V. , 19

11,00 

Auf dem Editorial:
Die Präsenz der orientalisch-sephardischen Kultur im deutschen Sprach- und Kulturraum hat als Forschungsthema in den letzten Jahren ein wachsendes Interesse in wissenschaftlichen Kreisen erfahren. Dennoch findet eine Auseinandersetzung bislang in erster Linie innerhalb der Romanistik, genauer der Hispanistik statt. In anderen einschlägigen Fachdisziplinen, wie der Geschichtswissenschaft und den Jüdischen Studien, werden sephardische Gemeinden im deutschsprachigen Raum allenfalls am Rande erwähnt – wenn überhaupt beachtet. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Durch die mittelalterliche Vertreibung der Juden von der iberischen Halbinsel entstanden zwei größere Fluchtbewegungen. Ein Teil zog in Richtung Nordeuropa und ließ sich in Städten wie Amsterdam, London und Hamburg nieder. Diese Sepharden haben sich sprachlich recht schnell an ihre Umgebung angepasst. Eine weitere große Gruppe hingegen ist ins Osmanische Reich eingewandert, das ihnen Zuflucht und Chancen zur kulturellen und wirtschaftlichen Entfaltung bot und sich seinerzeit vom Balkan bis zur arabischen Halbinsel und Nordafrika erstreckte. Diese orientalischen Sepharden bewahrten ihre mitgebrachte sprachliche und kulturelle Identität und entwickelten sie in der Diaspora weiter. Die eigene Sprache, das Judenspanische (Ladino, Spaniolisch, Judezmo etc.), wurde dabei zum auffälligsten Merkmal dieser Gruppe. Aufgrund dessen beschäftigte sich zuerst die Romanistik mit der sephardischen Kultur in der orientalischen Diaspora. Erst seit kurzem kann ein wachsendes interdisziplinäres Interesse an dieser jüdischen Gemeinschaft verzeichnet werden und wir hoffen, mit diesem Themenheft in den deutschsprachigen Ländern einen Beitrag zur Öffnung und Vernetzung der Sephardischen Studien mit anderen Disziplinen leisten zu können. Ein weiterer bedeutender Grund für das bislang geringe interdisziplinäre Interesse für Sepharden im deutschen Kulturbereich ist ihre zahlenmäßige Marginalität gegenüber den aschkenasischen Juden und ihre migratorische Situation. Erst ab dem 18. Jahrhundert kann von einer nennenswerten Einwanderung der Sepharden die Rede sein, die aus den Gebieten des Osmanischen Reichs in das benachbarte Habsburger Reich und somit in den deutschsprachigen Kulturraum einwanderten. Einige Sepharden begannen vom Balkan und der Türkei aus als Arbeits- und Bildungsmigranten zwischen Ost und West zu pendeln, manche blieben und bauten sich gar eine neue Existenz in Zentraleuropa auf. Der geopolitische Zerfall des Osmanischen Reichs und die gleichzeitige Ausdehnung des Habsburger Einflussbereichs nach Südosten im 19. Jahrhundert gaben der Migration zusätzlichen Auftrieb und schufen neue Berührungspunkte. In Wien entstand die größte eigenständige sephardische Gemeinde. Einige Sepharden zogen weiter Richtung Westeuropa und etwas später, Anfang des 20. Jahrhunderts, entwickelte sich auch in Berlin eine Gemeinde osmanischer Sepharden.

Dieses Themenheft von PaRDeS möchte sich also einreihen in die wachsenden Bemühungen, die orientalisch-sephardische Kultur im deutschsprachigen Kulturraum des 19. und 20. Jahrhunderts stärker ins Bewusstsein zu rücken. Es versteht sich als Anknüpfung an vorangegangene Projekte und möchte Impulse für die Fortsetzung der wissenschaftlichen Betrachtung sephardischen Lebens und Wirkens in unserer Gesellschaft geben. Im Jahr 2010 fanden gleich zwei Ausstellungen statt, die erstmals in diesem Format die Geschichte der sephardischen Einwanderung in die deutschsprachigen Metropolen beleuchteten: Im Centrum Judaicum in Berlin gab es „Vom Bosporus an die Spree. Türkische Juden in Berlin“ zu sehen sowie in den Jüdischen Museen Wien und Hohenems fast zeitgleich die Ausstellung „Die Türken in Wien – Geschichte einer jüdischen Gemeinde“, die durch ein ausführliches Begleitprogramm ergänzt wurde. Der internationale Fachkongress „Sefarad an der Donau“, der im Juni 2011 in Wien stattfand, sowie bereits abgeschlossene und aktuell laufende Dissertationsprojekte, die sich dem Thema sephardischer Juden im deutschen Kulturraum widmen, werfen ein neues Licht auf diesen noch fast unbekannten Part der jüdischen Geschichte. Nicht zuletzt verweisen wir auf den vor kurzem erschienen Schwerpunkt „Sefarad in Österreich-Ungarn“ in transversal – Zeitschrift des Centrums für Jüdische Studien (2, 2012). die aktuelle Ausgabe von PaRDeS knüpft an diese Projekte an und gibt einen interdisziplinären Überblick der aktuellen Forschung zu „Galut Sepharad in Aschkenas: Sepharden im deutschsprachigen Kulturraum“.

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Auf dem Editorial:
Die Präsenz der orientalisch-sephardischen Kultur im deutschen Sprach- und Kulturraum hat als Forschungsthema in den letzten Jahren ein wachsendes Interesse in wissenschaftlichen Kreisen erfahren. Dennoch findet eine Auseinandersetzung bislang in erster Linie innerhalb der Romanistik, genauer der Hispanistik statt. In anderen einschlägigen Fachdisziplinen, wie der Geschichtswissenschaft und den Jüdischen Studien, werden sephardische Gemeinden im deutschsprachigen Raum allenfalls am Rande erwähnt – wenn überhaupt beachtet. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Durch die mittelalterliche Vertreibung der Juden von der iberischen Halbinsel entstanden zwei größere Fluchtbewegungen. Ein Teil zog in Richtung Nordeuropa und ließ sich in Städten wie Amsterdam, London und Hamburg nieder. Diese Sepharden haben sich sprachlich recht schnell an ihre Umgebung angepasst. Eine weitere große Gruppe hingegen ist ins Osmanische Reich eingewandert, das ihnen Zuflucht und Chancen zur kulturellen und wirtschaftlichen Entfaltung bot und sich seinerzeit vom Balkan bis zur arabischen Halbinsel und Nordafrika erstreckte. Diese orientalischen Sepharden bewahrten ihre mitgebrachte sprachliche und kulturelle Identität und entwickelten sie in der Diaspora weiter. Die eigene Sprache, das Judenspanische (Ladino, Spaniolisch, Judezmo etc.), wurde dabei zum auffälligsten Merkmal dieser Gruppe. Aufgrund dessen beschäftigte sich zuerst die Romanistik mit der sephardischen Kultur in der orientalischen Diaspora. Erst seit kurzem kann ein wachsendes interdisziplinäres Interesse an dieser jüdischen Gemeinschaft verzeichnet werden und wir hoffen, mit diesem Themenheft in den deutschsprachigen Ländern einen Beitrag zur Öffnung und Vernetzung der Sephardischen Studien mit anderen Disziplinen leisten zu können. Ein weiterer bedeutender Grund für das bislang geringe interdisziplinäre Interesse für Sepharden im deutschen Kulturbereich ist ihre zahlenmäßige Marginalität gegenüber den aschkenasischen Juden und ihre migratorische Situation. Erst ab dem 18. Jahrhundert kann von einer nennenswerten Einwanderung der Sepharden die Rede sein, die aus den Gebieten des Osmanischen Reichs in das benachbarte Habsburger Reich und somit in den deutschsprachigen Kulturraum einwanderten. Einige Sepharden begannen vom Balkan und der Türkei aus als Arbeits- und Bildungsmigranten zwischen Ost und West zu pendeln, manche blieben und bauten sich gar eine neue Existenz in Zentraleuropa auf. Der geopolitische Zerfall des Osmanischen Reichs und die gleichzeitige Ausdehnung des Habsburger Einflussbereichs nach Südosten im 19. Jahrhundert gaben der Migration zusätzlichen Auftrieb und schufen neue Berührungspunkte. In Wien entstand die größte eigenständige sephardische Gemeinde. Einige Sepharden zogen weiter Richtung Westeuropa und etwas später, Anfang des 20. Jahrhunderts, entwickelte sich auch in Berlin eine Gemeinde osmanischer Sepharden.

Dieses Themenheft von PaRDeS möchte sich also einreihen in die wachsenden Bemühungen, die orientalisch-sephardische Kultur im deutschsprachigen Kulturraum des 19. und 20. Jahrhunderts stärker ins Bewusstsein zu rücken. Es versteht sich als Anknüpfung an vorangegangene Projekte und möchte Impulse für die Fortsetzung der wissenschaftlichen Betrachtung sephardischen Lebens und Wirkens in unserer Gesellschaft geben. Im Jahr 2010 fanden gleich zwei Ausstellungen statt, die erstmals in diesem Format die Geschichte der sephardischen Einwanderung in die deutschsprachigen Metropolen beleuchteten: Im Centrum Judaicum in Berlin gab es „Vom Bosporus an die Spree. Türkische Juden in Berlin“ zu sehen sowie in den Jüdischen Museen Wien und Hohenems fast zeitgleich die Ausstellung „Die Türken in Wien – Geschichte einer jüdischen Gemeinde“, die durch ein ausführliches Begleitprogramm ergänzt wurde. Der internationale Fachkongress „Sefarad an der Donau“, der im Juni 2011 in Wien stattfand, sowie bereits abgeschlossene und aktuell laufende Dissertationsprojekte, die sich dem Thema sephardischer Juden im deutschen Kulturraum widmen, werfen ein neues Licht auf diesen noch fast unbekannten Part der jüdischen Geschichte. Nicht zuletzt verweisen wir auf den vor kurzem erschienen Schwerpunkt „Sefarad in Österreich-Ungarn“ in transversal – Zeitschrift des Centrums für Jüdische Studien (2, 2012). die aktuelle Ausgabe von PaRDeS knüpft an diese Projekte an und gibt einen interdisziplinären Überblick der aktuellen Forschung zu „Galut Sepharad in Aschkenas: Sepharden im deutschsprachigen Kulturraum“.